Christoph Maria Herbst: „Ich kann nichts für die Gefühle anderer Leute“

© IMAGO/Robert Schmiegelt

Sommer-Vorschau 2024 - Diese 10 Filme darfst du im Kino nicht verpassen

Die Sommer-Blockbuster-Saison im Kino steht vor der Tür. Wir verraten dir, welche 10 Filme du in den kommenden Wochen unbedingt im Kino sehen musst.

Dominik Göttker
Redaktionsleitung

Es ist eine gewisse Herausforderung ein Interview über einen Film zu führen, wenn man eben jenen noch nicht sehen konnte. Noch spannender wird es nur, wenn der zu Interviewende den Film ebenfalls noch nicht in seiner Endfassung schauen durfte. Genau das geschah mit dem neuesten Teil der „Merz gegen Merz“-Saga. Und so ging es im Gespräch mit Christoph Maria Herbst zwar auch um den Film, aber eben nicht nur.

Hallo Herr Herbst, wie geht es Ihnen?

Jetzt wieder gut. Ich bin leider ein wenig spät, denn ich hatte gerade eine Zecke.

Waren Sie im Wald spazieren?

Genau, wir waren gestern ein bisschen draußen. Und dann wollte ich mich gerade für Sie schön machen, habe mich natürlich überall am ganzen Körper gewaschen (lacht), und sah dann an meinem Bauchnabel diese Zecke. Das als etwas längere Antwort auf Ihre Frage. Ich hoffe, Ihnen geht es auch gut und Sie haben keine Zecke?

Nein, alles wunderbar. Herr Herbst, wir wollten über ihren neuen Film „Merz gegen Merz – Geheimnisse“ sprechen. Jedoch ist der Name da leider Programm, die Dreharbeiten sind erst vor Kurzem beendet worden, und so gab es noch keine Vorführversion für die Presse.

Sie müssen mir auch verzeihen, ich habe ebenfalls noch keine Sekunde gesehen. Wir reden da eigentlich wie die Blinden von der Farbe. Ich finde das einen sehr lustigen Vorgang. In meiner 50-, 60-jährigen Karriere, vielleicht sind es auch schon siebzig Jahre, habe ich das auch noch nicht erlebt. Daher bin ich sehr gespannt auf das Gespräch.

Also können Sie uns noch keine Geheimnisse verraten?

Ich werde einen Teufel tun – Stichwort Spoiler. Die Zuschauer sollen den Film doch gucken. Aber was wissen Sie denn? Also wo kann ich Ihnen vielleicht noch mit Herrschaftswissen aushelfen?

Wir haben eine kleine Inhaltsangabe bekommen. Aber da kommt ihr Name eigentlich kaum vorher. Mehr geht es um Ihre Filmfrau Anne (gespielt von Annette Frier).

Und damit gebe ich weiter an Annette Frier, die hier neben mir sitzt (lacht).  Nein, „Geheimnisse“ ist nach „Hochzeiten“ ein weiterer „Merz gegen Merz“-Film, den wir drehen durften. Nachdem wir zunächst als Serie begonnen haben und dann den Ritterschlag erhielten, auch als 90-Minüter um die Ecke zu kommen.

Der Titel „Geheimnisse“ zahlt schon ein bisschen darauf ein, worum es geht. Deshalb ist es doppelt so schwer, darüber zu reden, Geheimnisse sollen ja Geheimnisse bleiben (lacht). Man kann aber sagen, dass in dieser dysfunktionalen Familie meine Figur Erik vielleicht noch ein Stück dysfunktionaler aufgestellt ist als bisher eh schon. Er hat ein Alkoholproblem, er hat ein Einsamkeitsproblem … Da kann ich nur sagen: Willkommen in der Comedy in Deutschland im Jahr 2024. Das sind die Themen, die wir da behandeln, und die sind natürlich nirgends besser aufgehoben als bei einem Autor wie Ralf Husmann, der sich schon immer dadurch auszeichnete, dass er nie Comedy reinsten Wassers machte, sondern eher Tragik-Komödien.

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Ein Genre, das ihnen zu liegen scheint.

Ich muss gestehen, ein Genre, in dem ich mich sehr, sehr wohl fühle. Wir haben am Set wieder viel gelacht. Ich weiß aber auch aus dem Schnitt, dass wieder das ein oder andere Tränchen verdrückt wurde, weil es sehr ans Herz geht. Wir erzählen nach wie vor die Demenz meines Schwiegervaters (gespielt von Michael Wittenborn). Es gibt wieder eine Menge zu gucken, eine Menge zu entdecken, und auch eine Menge wiederzuentdecken. Schließlich gibt es die ein oder andere Familie, da soll es ja durchaus ähnlich aussehen. Aber keine Angst, wir haben keine Doku gemacht. Unterm Strich ist es schon eindeutig eine Komödie.

Gibt es Inhalte, bei denen bei Ihnen der Spaß aufhört?

Der Holocaust natürlich. Da wäre ich sofort raus und stände auch gar nicht zur Verfügung. Ansonsten ist mir nichts Menschliches fremd und auch nichts Menschliches fern. Vor Ihnen sitzt jemand, der selbst gelebtes Leben in seinem Rucksack hat, und auch in seinem Umfeld auf gelebtes Leben schaut. In meiner Familie gab es Demenzvorfälle. Jetzt kann man natürlich sagen, dass man das nicht in einer Komödie zeigen kann … doch, kann man. Muss man vielleicht sogar. Bei der Demenz, die ich in meiner Familie erlebt habe, hat mir das sehr geholfen. Einfach mal den Point of View wechseln, und das ganze aus der Helikopter-Perspektive betrachten. Es gibt für jedes Thema, unterschiedliche Möglichkeiten, es zu beleuchten. Und so ein Perspektiven-Wechsel ist total wichtig.

Wenn der aus der komödiantischen Ecke kommt, wenn er aus der Ecke einer Leichtigkeit kommt, kann das sehr hilfreich sein. Mir hat es damals geholfen. Ich kann aber auch jeden verstehen, der sagt: ‚Das betrifft mich gerade zu sehr, ich kann mir das nicht weiter angucken.‘ Damit muss man immer rechnen. Das habe ich beim seligen Bernd Stromberg damals auch erlebt, dass Leute zu mir gesagt haben: ‚Ich habe ein paar Minuten reingeguckt, und du machst das bestimmt auch ganz toll, aber ich kann es nicht gucken, es ist zu nah an meiner Bürorealität.‘

Oh Gott …

Ja, oh Gott, das war auch meine Reaktion. Was ich damit sagen will, es muss nicht immer eine Krankheit sein. Es kann auch eine Lebenssituation sein. Ich kann aber unterm Strich nur sagen: Ich kann nichts für die Gefühle anderer Leute.

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Sie sprachen gerade das Thema Demenz in Ihrer Familie an. Ist das ein Thema, das Ihnen Angst macht? Schließlich kann Demenz auch vererbbar sein.

Das stimmt, aber ich beschäftige mich da nicht mit. Ich fühle mich gerade noch zu sehr im Saft, ob mit Zecke oder ohne. Solange ich die Zecken noch finde (lacht)… Aber natürlich ist das eine Situation, mit der ich mich konfrontiert sehen könnte, weil die Menschen immer älter werden. Und so Gott will, ist das bei mir auch der Fall. Aber ich will ja gar nicht später sterben, ich will länger leben.

Wie beugen Sie vor?

Ich tue einiges dafür, dass mir das eventuell nicht widerfährt. Dass man sein Leben proaktiv so gestalten kann, dass man diese Gefahr zumindest minimieren kann, ist bekannt. Also alles das tun, was die meisten nicht tun, wäre schonmal ein richtiger Weg (lacht). Nicht zu viel Fleisch Essen, Bewegung, Gifte wie Nikotin oder Alkohol weglassen – wobei weglassen ist ja Quatsch, natürlich trinke ich auch ab und an Alkohol, aber es geht um Maß und Mitte, wenn ich dieses herrliche Politiker-Narrativ bedienen darf.

Welche Sportarten betreiben Sie?

Ich habe früher Fußball gespielt, aber dieses Vereinsleben war nichts für mich. Es roch immer schlecht, der Ästhet in mir konnte das einfach nicht ab. Ich habe mich dann eher den musischen Künsten gewidmet, und Klarinette gespielt. Mittlerweile jogge ich. Das war es aber schon. Für mehr habe ich dann auch keine Zeit.

Spielen Sie heute noch Klarinette?

Ich würde gerne, aber ich glaube, die Klarinette hat keinen Bock mehr. Die liegt irgendwo in einem Koffer, wohlbehütet in dem nicht-feuchten Keller. Ich könnte sie also jederzeit reaktivieren. Aber das mache ich nur noch zu Hoch- oder Familienfesten. Ich komme aus einem katholischen Haushalt und habe damals in der Kirche zusammen mit der Orgel ‚Ave-Maria‘ von Johann Sebastian Bach gespielt, da blieb kein Auge trocken. An die Zeit erinnere ich mich gerne.

Irgendwann, wie es dann so ist, hatte mich dann aber die Pubertät im Griff, da waren andere Dinge wichtiger und spannender. Aber sie ist immer noch da und liegt wie ein Fanal, wohlbehütet in unseren Katakomben. Ich weiß genau, dass ich sie irgendwann einmal in die Wohnung hochholen werde.

Merz gegen Merz
Anne (Annette Frier) kennt Erik (Christoph Maria Herbst) schon lange genug, um zu bemerken, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmt.

Sie sagten gerade, dass sie nicht später sterben, sondern länger leben wollen. Bleibt Ihnen bei all der Arbeit denn viel Freizeit?

Ja, total viel. Ich habe die luxuriöse Situation, dass ich meine Arbeit genieße. Es gibt leider Gottes Millionen Menschen, die sich jeden Tag zur Arbeit zwingen und quälen müssen. Vor Ihnen sitzt jemand, der das auch schon erlebt hat. Ich habe in den 80er-Jahren bei einer großen deutschen Bank eine Banklehre gemacht. Und ich bin sehr froh, dass wir beide jetzt über etwas anderes reden.

Ich musste mich – so nett die Kolleginnen und Kollegen auch waren – dort auch wirklich hin quälen. Es war von Anfang an nicht meins. Ich habe das auf sanftem Druck meiner Eltern hin, getan, nach dem Motto ‚Mach was Vernünftiges‘. Ich habe dann aber die Kurve gekriegt. Seitdem widme ich mich dem Wahren, Guten und Schönen auf meine Weise, und muss mich da nicht hin schleppen. Das ist eine ganz große Freude, und damit sind wir wieder bei ‚Merz gegen Merz‘, was wir schon seit so vielen Jahren machen. Wir sind mittlerweile kollegiale Freunde. Ein wahres Fest.

Nach der Serie wurde spekuliert, dass ‚Merz gegen Merz‘ damit abgeschlossen sei. Dann kam der erste Film, nun folgt der Zweite. Startet danach wieder die Serie oder wie machen wir weiter?

(lacht) Der nächste Schritt müsste doch ein Kinofilm sein. Aber das kannste mal gleich vergessen. Das gehört schon ins Fernsehen. Das gehört ins ZDF. Aber ich weiß es nicht, ich bin ja nicht der verantwortliche Redakteur, sondern nur ein Mitmacher. Die Entscheider werden das dann entscheiden. Und so wird es am Ende des Tages die Quote sein, die richtet oder hinrichtet.

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