Daliah Lavi
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Biografie 2008

Ich betrachte mein Leben als eine Art Baum mit vielen ineinander verschränkten Ästen und Zweigen. Eine Sache führt zur nächsten, und diese unzähligen Verbindungen und Verstrebungen haben mich an denjenigen Punkt geführt, an dem ich heute stehe. Mein ganzes Leben habe ich eine Verbindung zu einer unsichtbaren Kraft verspürt. Und selbst wenn es ein wenig seltsam klingen mag – ich kann diese Kraft nicht beim Namen nennen, schließlich geht es hier um etwas, das Teil des Universums ist, das wir alle in uns tragen und mit dem wir doch alle vollkommen unterschiedlich umgehen. In einem meiner Songs erwähne ich die Flüsse, die alle ins Meer führen. Das ist eine Metapher, die sehr gut diese Suche beschreibt, die wir alle unterschiedlich angehen, die uns schließlich aber doch an ein und denselben Ort führt. Ich glaube, dass jeder diese verbindende Kraft für sich entdecken kann, die einem ein friedliches Leben und einen ausgeglichen Seelenzustand beschert. Mich hat dieses Gefühl der Verbundenheit gelehrt, dass ich niemals alleine bin. Obwohl ich 1942 in Haifa zur Welt kam, lebte ich ab meinem fünften Lebensjahr in der deutschen Gemeinde Shavei Zion im Norden Israels. Meine Großmutter mütterlicherseits, eine konvertierte Jüdin, und mein Großvater waren aus Deutschland nach Israel geflohen, um nicht dem Nazi-Regime zum Opfer zu fallen, das gerade im Entstehen begriffen war. Meine Großmutter, die eigentlich immer eine Entertainerin werden wollte, sich diesen Traum jedoch nie erfüllte, hat mich und meinen größten Traum stets unterstützt: Ich wollte unbedingt Ballett-Tänzerin werden. Als 10-Jährige – ich war damals die geistige Anführerin in meinem Freundeskreis – kletterten wir oft über den Zaun eines schicken Hotels, weil wir im Pool schwimmen wollten. Das war unser liebster Zeitvertreib; herauszufinden, wie lange man ungestört im Wasser bleiben konnte, wie lange es dauern würde, bis der Hotelmanager kommt und einen rausschmeißt. Eines Tages sprang ich ganz alleine (wenn auch gemeinsam mit meiner „unsichtbaren Kraft“) über den Zaun. Ich hatte keinen blassen Schimmer davon, dass sich zu diesem Zeitpunkt gerade diverse US-Schauspieler, die bei dem Film „The Juggler“ mitwirkten, im Hotel befanden. Als der Manager mich dann wie gewöhnlich vom Hotelgelände vertreiben wollte, kamen mir die Schauspieler Kirk Douglas, John Banner und Alf Kjellin, ein Schwede, zur Hilfe und behaupteten kurzerhand, ich sei eine Besucherin, ein Gast von ihnen. Während der Dreharbeiten zu „The Juggler“ wurden wir alle dann tatsächlich Freunde. Und weil sie wussten, dass ich davon träumte, eine Ballett-Tänzerin zu werden, schenkten sie mir zum 10. Geburtstag, zu dem ich sie eingeladen hatte, mein erstes Tutu und ein Paar Ballett-Schuhe. John Banner und Alf Kjellin kümmerten sich darum, dass ich in den kommenden Jahren die Royal Swedish Ballet Company School in Stockholm besuchen konnte. Als 12-Jährige trat ich schließlich meinen vierjährigen Aufenthalt in Schweden an und verabschiedete mich von meinen Eltern, meiner Schwester Michal und meinem Bruder Yossi. Letzten Endes sollte sich herausstellen, dass ich für eine Karriere als klassische Ballett-Tänzerin zu groß war, außerdem hatte ich viel zu niedrigen Blutdruck, so dass ich bei so mancher Pirouette wirklich in Ohnmacht fiel. Letztendlich wurde mein Vater zu dieser Zeit auch noch schwer krank – daher kehrte ich mit 16 nach Israel zurück. Nach dem Tod meines Vaters arbeitete ich als Model für Bade- und Strickmoden, um meine Familie finanziell zu unterstützen. Obwohl wir eigentlich schon immer in recht ärmlichen Verhältnissen gelebt hatten, wurde mir diese Tatsache erst nach dem Tod meines Vaters bewusst. Ich war also gerade mal 16 Jahre alt und musste meiner Mutter dabei helfen, die Familie zu ernähren. Und obwohl ich die Schule nur bis zur siebten Klasse besucht hatte, konnte ich danach genug vom Leben lernen und an den Aufgaben des Alltags wachsen. In den nächsten zwei Jahren ereigneten sich zwei Dinge, die mein Leben nachhaltig prägen sollten: Einerseits bot mir ein israelischer Regisseur, Raphael Nussbaum, 1960 eine Rolle in einer deutschen Co-Produktion über die antike Stadt Petra in Jordanien an. Und ungefähr zeitgleich lernte ich auch meinen späteren Mann kennen, einen Franzosen, der sich gerade in Israel aufhielt. 1961 zog ich dann als 18-Jährige nach Paris. Durch meinen Ehemann lernte ich Alain Delon kennen und konzentrierte mich von nun an verstärkt auf die Filmwelt. Auch wenn unsere Ehe nicht besonders lang halten sollte, konnte ich meiner Karriere damit einen gewaltigen Schub geben. Ich habe fünf Filme gedreht, während ich in Paris war. Als nächstes ging meine Reise nach Rom, wo mich ein Talentsucher von Vincente Minnelli entdeckte, als ich gerade auf der Via Veneto saß. Diese Begegnung markierte nicht nur den Beginn meiner Karriere im italienischen Kino, denn zugleich war damit klar, dass ich mit Italienisch meine vierte Sprache lernen sollte. Nunmehr sprach ich Hebräisch, Deutsch, Französisch und Italienisch. In den vier Jahren, die ich in Italien verbracht habe, drehte ich insgesamt acht Filme. Manche von ihnen waren deutsch-italienische Produktionen. Die wichtigsten Filme dieser Jahre habe ich in den Jahren 1962, 1963 und 1965 realisiert: 1962 gab mir Vincente Minnelli eine Rolle an der Seite von Kirk Douglas in „Zwei Wochen in einer anderen Stadt“. Obwohl er zunächst gar nicht bemerkte, dass er mir Jahre zuvor schon in meiner Heimat begegnet war, stellten wir auch diese Sache irgendwann klar. Wir gingen danach zusammen nach Hollywood, um den Film fertig zu stellen. Er wollte unbedingt mein Mentor sein und mir zum großen Durchbruch in den Vereinigten Staaten verhelfen, aber ich mochte Hollywood nicht und kehrte daher schon bald nach Rom zurück. 1963 spielte ich dann eine Rolle in „Der Teufel“. Ich habe diesen Film schon immer geliebt, und zwar nicht nur, weil er in Cannes so wahnsinnig gut angekommen ist, sondern aus dem einfachen Grund, dass Brunello Rondi, der Drehbuchschreiber von Fellini, bei diesem Film, der eine wahre Geschichte beschrieb, Regie geführt hat. 1965 bot mir dann der US-Regisseur Richard Brooks, nachdem er mich in „Der Teufel“ gesehen hatte, eine Rolle an: Ich flog nach Kambodscha, um dort „Lord Jim“ mit Peter O’Toole, James Mason und Eli Wallach zu drehen. Während der Dreharbeiten lernte ich John Sullivan kennen, meinen zweiten Ehemann und den Vater meines ältesten Kindes, Rouven. Um die Arbeit an „Lord Jim“ fertig zu stellen, zog ich schließlich nach London. Dann ging ich wieder nach Hollywood, um dort „Leise flüstern die Pistolen“ mit Dean Martin zu drehen. Danach kehrte ich nach London zurück, wo ich die nächsten zehn Jahre verbrachte. In diesen Jahren habe ich u.a. Filme wie „Casino Royale“, das „Geheimnis im blauen Schloss“ und „Leben ums Verrecken“ mit Yul Brynner gedreht. Ungefähr 1969 oder 1970 bekam dann mein israelischer Freund Topol, der in London das Musical „Anatevka“ zu großem Erfolg führte, seine eigene Show im britischen Fernsehen. Später wurde das Musical auch mit ihm in der Hauptrolle erfolgreich verfilmt. Als er mich fragte, ob ich daran interessiert sei, israelische Songs in seiner Sendung zu singen, nahm ich das Angebot widerwillig an, weil ich mich bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich nie als Sängerin gesehen hatte. Der berühmte Produzent Mike Sloman, den Topol persönlich kannte, fragte ihn nachdem er die Show gesehen hatte, ob er uns miteinander bekannt machen könnte. Kurze Zeit später hatte ich schon einen Vertrag bei Festival Records, und ich nahm mit „Love Song“ mein erstes eigenes Stück auf. Der Song entpuppte sich in London und Tokio als ein Riesenhit, weil er auch beim „Yamaha Music Festival“ gespielt wurde. Als die Verantwortlichen von Festival Records erfuhren, dass ich so viele Sprachen konnte, sahen sie darin die Möglichkeit, meine Fangemeinde zu vergrößern. Also nahm ich den „Love Song“ auch auf Deutsch, Italienisch, Französisch und Spanisch auf – im Deutschen hieß er dann „Liebeslied jener Sommernacht“. Leider musste ich zu dieser Zeit feststellen, dass auch meine Ehe mit John Sullivan am Ende war. Als „Liebeslied jener Sommernacht“ in Deutschland zum Superhit avancierte, kam damit meine neue Karriere als Sängerin so richtig ins Rollen: Zwischen 1970 und 1985 konnte ich sechs Auszeichnungen für meine Musik in Empfang nehmen; zwei Lion-Awards von Radio Luxemburg und vier Bravo-OTTOs. Ich würde mich gerne bei drei Menschen für diese Erfolge bedanken: Jimmy Bowien, mein deutscher Produzent, der das in mir gesehen hat, was niemand von meiner damaligen Plattenfirma in mir sehen wollte. Ohne Jimmys Unterstützung wäre ich wohl nie als Sängerin erfolgreich gewesen. Miriam Frances war für die Texte verantwortlich, ein unbekanntes Talent, das Jimmy Bowien entdeckt hat. Sie war zugleich die erste Texterin, die für eine Frau geschrieben hat – das hatte es bis dahin noch nie gegeben! Und schließlich Michael Kunze, der Miriam Frances ersetzt hat, als sie nicht mehr für mich schreiben konnte. Michael ist bis zum heutigen Tag mein musikalischer Seelenverwandter, ist für mich wie ein Geschenk, jemand, der meine Gefühle versteht und sie interpretieren kann. Gleich nach meiner Liebe zum Tanz waren Gesang und Performance meine liebsten Ausdrucksformen. Ich liebte es, kreativ zu sein und meine Gefühle in der Musik zu artikulieren. Plötzlich konnte ich mein wahres Ich präsentieren und ich selbst sein, ohne den Ideen irgendeines Regisseurs unterworfen zu sein – es gab keine Regie und keinen Schneideraum. Ich war einfach nur Daliah… mit all meinen Stärken und Schwächen. Außerdem hat mich die Energie, die ein Publikum kreieren kann, jedes Mal umgehauen. Die Kraft, die diesem Zusammenspiel von Musiker und Publikum innewohnt, erfüllt mich bis heute – ich bin immer wieder überrascht davon, was auf der Bühne alles passieren kann. Dieses Zusammenspiel ist auch, was mich immer wieder dazu antreibt, meine eigenen Grenzen zu überschreiten und neue Wege zu gehen. Ich liebe es, wenn Menschen, die sich eigentlich gar nicht kennen, plötzlich in einer Situation vereint sind… und dadurch dann doch irgendwie zusammengehören. 1971, ich war immer noch in London, traf ich dann meinen dritten Ehemann, Peter Rittmaster. Zusammen zogen wir nach Miami Beach. Er ist der Vater meines jüngsten Sohnes Alexander. Kurze Zeit nach der Geburt trennten wir uns wieder. Eigentlich wollte ich an diesem Punkt einen Schlussstrich unter meine Karriere als Entertainerin ziehen, aber ich hatte vertragliche Auflagen und nahm daher weiterhin meine Songs auf.Ich lernte Chuck Gans, einen Witwer, kennen, den ich bald darauf heiratete. Wir lebten in Miami und zogen gemeinsam meine und seine zwei Kinder, Kathy und Steven, groß.In den Neunzigern nahm ich auf Anraten meiner Manager das Duett „Ich bin da um dich zu lieben“ mit Karel Gott auf. Und obwohl dieser Song zu einem Nummer-Eins-Hit wurde, fasste ich den Entschluss, meine Karriere nun endgültig zu beenden. Chuck und ich konzentrierten uns darauf, unsere vier Kinder zu einer Familie zusammenzuschweißen; als sie alle alt genug waren, um aufs College zu gehen, packten wir unsere Sachen und zogen nach North Carolina, wo mein Mann sein Unternehmen betreibt. Seit 18 Jahren lebe ich nun schon in Asheville, North Carolina. Schon als wir zum ersten Mal in diese Stadt kamen, damals noch als Touristen, war mir klar, dass es der richtige Ort für mich ist… und natürlich war wieder einmal nichts geplant gewesen. Ich folgte einfach nur meinem Instinkt. Obwohl Israel nach wie vor meine eigentliche Heimat ist, ist Asheville der Ort, an den ich gehöre. Zum Glück lebe ich inzwischen mit einem Mann zusammen, der mir stets ermöglicht hat, meinem Instinkt und meinen Eingebungen zu gehorchen… Vom Gesang zu leben ist harte Arbeit. Es ist enorm anstrengend und zeitaufwendig, daher war ich mir nicht sicher, ob ich es noch einmal schaffen könnte. Ich bewundere all diejenigen, die diesen Weg gehen. Wir stellen uns ins Rampenlicht und machen uns zur Zielscheibe für die Kritiker. Ich öffne diese Tür noch einmal, weil ich diese Songs meinen Kindern und Enkelkindern widmen will. Sie wollen mich endlich auf der Bühne sehen, denn sie haben mich nie als Sängerin kennen gelernt. Doch ehrlich gesagt hätte das wahrscheinlich nicht als Grund ausgereicht, um diesen großen Schritt zu wagen. Denn ich hatte insgeheim stets das Gefühl, dass ich nichts Neues mehr zu sagen hatte. Und doch erkenne ich jetzt, dass die zeitlose Kraft der alten Songs, kombiniert mit den neuen Stücken, zusammen sehr gut beschreibt, an welchem Punkt in meinem Leben ich heute stehe. Ich denke, dass sich mit dieser CD der Kreis meiner Gesangskarriere schließt… so zumindest denke ich jetzt darüber… doch andererseits weiß ich auch, dass das Leben voller Überraschungen steckt. Ich habe schließlich auf die harte Tour gelernt, dass Worte wie „nie“, „ewig“ und „immer“ eigentlich aus dem Wörterbuch gestrichen werden sollten. Ungewöhnlich an meiner Geschichte ist sicherlich, dass ich ursprünglich nur davon geträumt habe, eine Tänzerin zu werden. Doch immer wieder ergaben sich neue Möglichkeiten, neue Türen gingen auf. Konkrete Ziele und Pläne gab’s dabei so gut wie gar nicht. Ich glaube, dass stets diese unsichtbare Kraft am Werk war, die ich zwar nicht greifen oder verstehen kann, die mich aber trotzdem an die Hand genommen und mein Leben geführt hat. Auch wenn mein Leben nicht nur aus rosigen Zeiten bestand, bin ich unglaublich dankbar für das Glück und die Liebe, die mir entgegengebracht wurde. Und ich bin fest davon überzeugt, dass wir alle dieses Gefühl in uns erwecken können, wenn wir den Dingen offen gegenüberstehen und diesem Gefühl den nötigen Raum geben. In dem Stück „Mein letztes Lied“ fasse ich meinen Glauben noch einmal zusammen. Am wichtigsten war mir stets die Familie – und ich musste sehr lange suchen, um einen Mann wie Chuck zu finden. Wir hatten es nicht leicht, weil wir unsere Teilfamilien erst zusammenführen mussten und es gab wie bei vielen Familien Höhen und Tiefen. Wir haben hart an uns gearbeitet und tun das auch heute noch, denn letztendlich bedeuten mir Chuck und die Kinder mehr als alles andere auf der Welt. Eure Daliah Quelle: Universal Music

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Der traurige Tod

Am 03. Mai 2017 verstarb Daliah Lavi in ihrer Wahlheimat Asheville im US-Bundesstaat North Carolina. Die Sängerin wurde 74 Jahre alt!
 
Daliah Lavi

Daliah Lavie – Wiki 2008 – Ich betrachte mein Leben als eine Art Baum mit vielen ineinander verschränkten Ästen und Zweigen